Für den Bereich des allgemeinen Zivilrechts wird mit Art. 5 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie in Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht durch eine Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ein Moratorium für die Erfüllung vertraglicher Ansprüche eingeführt. Die Regelung tritt am 1. April 2020 in Kraft. Betroffenen Verbrauchern und Kleinstunternehmen, die wegen der Corona-Krise bestimmte vertraglich geschuldete Leistungen nicht erbringen können, wird danach ein zeitlicher Aufschub gewährt.
Danach besteht ein temporäres Leistungsverweigerungsrecht bis zum 30. Juni 2020 für Ansprüche aus wesentlichen Dauerschuldverhältnissen, die vor dem 8. März 2020 geschlossen wurden. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind bei Verbrauchern solche, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind, bei Kleinstunternehmen solche, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung ihres Erwerbsbetriebs erforderlich sind. Von der Regelung nicht umfasst sind Miet-, Pacht- und Verbraucherdarlehensverträge sowie Arbeitsverträge. Voraussetzung für Verbraucher ist, dass sie aufgrund der durch die Ausbreitung der Infektion hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Ihren vertraglichen Pflichten nicht nachkommen können, ohne Ihren Lebensunterhalt oder den Lebensunterhalt Ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen zu erfüllen.
Diese Regelung gilt jedoch nicht, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger seinerseits unzumutbar ist, d. h., wenn die Nichterbringung der Leistung die wirtschaftliche Grundlage seines Gewerbebetriebs gefährden würde. Der Schuldner hat dann jedoch ein Recht zur Kündigung.
Ein Kleinstunternehmen (Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigten und einem Jahresumsatz von bis zu zwei Millionen Euro) ist betroffen, wenn es die Leistung nicht erbringen kann oder dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre. Dies gilt nicht, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger unzumutbar ist, d. h., wenn die Nichterbringung der Leistung zu einer Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen oder der wirtschaftlichen Grundlagen seines Gewerbebetriebs führen würde. Der Schuldner hat dann jedoch ein Recht zur Kündigung.
Die Schuldner haben durch das Moratorium die Möglichkeit, die Leistung zeitlich befristet zu verweigern, ohne dass ihnen nachteilige rechtliche Folgen wie Verzug, gerichtliche Verfolgung des Primäranspruchs oder das Entstehen von Sekundäransprüchen drohen. Der ungeschriebene Grundsatz "Geld hat man zu haben" ist damit temporär ausgesetzt. Die Bundesregierung wird zudem ermächtigt, durch Rechtsverordnung eine Verlängerung des temporären Leistungsverweigerungsrechts bis zum 30. September 2020 und darüber hinaus vorzunehmen, wenn die Beeinträchtigungen durch die Corona-Krise fortbestehen. Ein Außerkrafttreten der Regelung ist für den 30. September 2022 vorgesehen.
Nun wird teilweise die Auffassung vertreten, dass auch Steuerberater von dem Moratorium betroffen sein könnten, weil ein auf ein Dauermandat gerichteter Steuerberatungsvertrag ein Dauerschuldverhältnis sei und insbesondere die Lohnbuchhaltung und die laufenden Finanzbuchführungsarbeiten für den Bestand eines Unternehmens unerlässlich seien und diese Tätigkeiten damit als wesentlich gelten müssten. Mandanten könnten daher u.U. Leistungen zur Erfüllung von Ansprüchen, die aus dem Dauerschuldverhältnis resultieren, verweigern und trotzdem auf der Leistungserbringung durch den Steuerberater beharren, was vor allem für die Finanzbuchhaltung und Lohnbuchhaltung zutreffen könnte. Folgt man dieser irrigen Ansicht, könnte daran gedacht werden, einen Vorschuss gemäß § 8 StBVV zu fordern. Dem könnte jedoch die Regelung in § 1 Abs. 5 des Moratoriums entgegenstehen, weil im Hinblick auf die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts „nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden“ darf. Wir halten diese Ansicht für unzutreffend und empfehlen deswegen, gegebenenfalls Vorschüsse anzufordern.
Gegen die Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts bei Steuerberatungsverträgen wird jedoch Folgendes eingewandt: Nach der Gesetzesbegründung zum Moratorium geht es ausschließlich um Verträge, die „zur Eindeckung mit Leistungen der Daseinsvorsorge bzw. zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung eines Erwerbsbetriebs erforderlich sind“. In diesen Fällen sind üblicherweise die Leistungserbringer nach den gesetzlichen Regelungen vorleistungspflichtig und wirtschaftlich deutlich stärker. Unter diesem Gesichtspunkt ist es fraglich, ob Steuerberater Leistungen erbringen, die - so die Gesetzesbegründung - „der Grundversorgung ( Strom, Gas, Telekommunikation, soweit zivilrechtlich geregelt auch Wasser)“ zu dienen bestimmt sind.
Steuerberater helfen zwar bei der Erledigung steuerlicher Pflichten und übernehmen die Lohnbuchhaltung. Der Betrieb könnte jedoch auch bestehen bleiben, wenn diese Leistungen zeitweise bis zum 30.06. oder bis zum 30.09.2020 nicht erbracht würden, d. h. es geht eigentlich darum, dass Kleinstunternehmen weiterhin am Markt bestehen bleiben können und insoweit hierfür die existentiellen Voraussetzungen (Elektrizität, Wasser, Wärme usw.) erhalten bleiben sollen. Hinzu kommt, dass auch viele Kleinstunternehmer diese Tätigkeiten im weiten Umfang selber durchführen (z.B. der mitarbeitende Ehepartner, der sich um die Buchhaltung kümmert). Allein dies schließt bereits aus, dass das Moratorium ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Steuerberater begründen kann.
Darüber hinaus: In § 1 Abs. 3 des Moratoriums sind nur Gewerbebetriebe (Gläubiger) genannt, deren existenzieller Bestand durch das Leistungsverweigerungsrecht (keine Zahlung trotz Fälligkeit) nicht berührt werden darf. Dagegen werden Freiberufler nicht erwähnt und deswegen auch durch diese Vorschrift nicht geschützt. Hieraus kann geschlossen werden, dass der Gesetzgeber diese Berufsgruppe bewusst "nicht in die Pflicht nehmen" wollte, weil er lediglich die wirtschaftlichen Grundlagen eines Unternehmens im Rahmen einer "Daseinsvorsorge" gewährleisten will.
Wäre es anders gewollt, wäre es sinnwidrig, wenn Freiberufler nicht auch wie Gewerbebetriebe einwenden dürften, dass durch die Nichtzahlung der eigene angemessene Lebensunterhalt oder der ihrer Angehörigen gefährdet wäre.
Im Ergebnis ist daher davon auszugeben, dass Steuerberatungsverträge im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen nicht einem Leistungsverweigerungsrecht im Sinne des Moratoriums unterfallen. Unabhängig davon, empfehlen wir allen Berufsangehörigen vor Erbringung der Leistung eine Einschätzung vorzunehmen, unter welchen Voraussetzungen sie die Leistungen gegenüber den Mandanten erbringen wollen und regen an, ggfls. eine bonitätsmäßige Einschätzung des Mandanten vorzunehmen. Im Zweifelsfall sollten Vorschüsse angefordert werden.