Im Praxisalltag kommt es regelmäßig vor, dass Mandanten kurze Anfragen an Steuerberater richten, die nicht vom bisherigen Auftragsverhältnis umfasst waren. Die Fragen werden dem Berufsträger in der Regel mündlich gestellt und unmittelbar ohne vorherige Recherche beantwortet. Wenn diese Auskunft fehlerhaft war und es dadurch zu einer vermeidbaren Mehrsteuer kommt, richtet sich die haftpflichtrechtliche Verantwortlichkeit nach der Rechtsnatur der Anfrage: Für aus Gefälligkeit erteilte Ratschläge oder Empfehlungen haftet der Steuerberater nach § 675 Abs. 2 BGB nicht (BGH Urt. vom 18.12.2008 IX ZR 12/05; LG Leipzig Urt. vom 18.02.2014 3 O 2768/12).
Die haftpflichtrechtliche Beurteilung einer fehlerhaften und unmittelbaren mündlichen Antwort auf eine gesprächsweise Anfrage hängt davon ab, ob durch diese Auskunft ein Steuerberatungsvertrag mit einem entsprechenden Rechtsbindungswillen geschlossen worden ist oder ob es sich vielmehr um eine reine Gefälligkeitsauskunft gehandelt hat. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil § 675 Abs. 2 BGB eine Haftung für aus Gefälligkeit erteilte Ratschläge oder Empfehlungen ausschließt.
Die Abgrenzung einer Gefälligkeitsauskunft von einem steuerlichen Auftragsverhältnis ist jedoch nicht einfach und jeweils nur im Einzelfall vorzunehmen. Der BGH hatte dies mit seinem Urteil vom 18.12.2008 (IX ZR 12/05; NJW 2009, 1141 ff., DStR 2009, 818 f.; Juris) erneut verdeutlicht. Er stellte klar, dass die Abgrenzung anhand objektiver Kriterien aufgrund der Erklärungen und des Verhaltens der Parteien zu ermitteln sei. Dabei seien vor allem die wirtschaftliche sowie die rechtliche Bedeutung der Angelegenheit, insbesondere für den Begünstigten, und die Interessenlage der Parteien heranzuziehen. Ob für eine Auskunft eine Vergütung verlangt werde, sei hierbei nicht entscheidend. Zusicherungen des Auskunftgebers und das Versprechen zur Nachprüfung würden hingegen für einen Rechtsbindungswillen sprechen.
Auf Grundlage dieser Vorgaben hatte auch das Landgericht Leipzig mit Urteil vom 18.02.2014 (3 O 2768/12) über die Haftung eines Berufsangehörigen zu entscheiden. Das Mandatsverhältnis zeichnete sich in diesem Fall dadurch aus, dass umfassende steuerrechtliche Beratungen schriftlich fixiert und im Rahmen von persönlichen Beratungsgesprächen erbracht wurden. Kleinere telefonische Anfragen, sogenannte Serviceleistungen, wurden gebührenfrei beantwortet.
Der Mandant hatte einen Mitarbeiter des Steuerberaters telefonisch gefragt, ob es bei einem von ihm geplanten Verkauf seiner Geschäftsanteile zu einem symbolischen Preis von 1 Euro „Probleme“ geben würde. Diese Frage wurde verneint. Durch den anschließenden Verkauf ergaben sich jedoch im Nachhinein steuerliche Nachteile, da Verlustvorträge untergingen.
Entscheidend für das Landgericht war, wie diese Auskunft rechtlich einzuordnen war. Die Anfrage des Mandanten erfolgte telefonisch und wurde sogleich mündlich in einem kurzen Gespräch beantwortet. Es wurde dazu nichts schriftlich festgehalten. Eine Rechnung hierüber wurde nicht gestellt. Aufgrund der Gesamtheit dieser einzelnen Umstände kam das Landgericht zu dem Ergebnis, dass es sich hier um eine Gefälligkeitsauskunft gehandelt habe und nicht um einen Auskunftsvertrag. Eine Haftung konnte daher nicht begründet werden.
Diese Entscheidung, so sehr sie auch zu begrüßen ist, verdeutlicht noch einmal, dass gerade auch bei kurzen telefonischen Auskünften Haftungsgefahren bestehen. Auch die häufig gewählte Formulierung auf Briefbögen, dass für mündliche oder telefonische Auskünfte keine Haftung übernommen werde, dürfte daher nicht automatisch zu einer Haftungsfreizeichnung führen.
Für die Praxis empfiehlt sich vielmehr, auf spontane mündliche Anfragen sehr zurückhaltend mit der Erteilung von Auskünften zu reagieren, vor allem, wenn diese sichtbar wirtschaftlich bedeutend für die Mandanten sind. Falls dies so ist, empfiehlt sich eine schriftliche Zusammenfassung des Gesprächs an den Mandanten, auch wenn dies im Praxisalltag nicht immer einfach umzusetzen ist.
(veröffentlicht in www.kammerrundschreiben.de 4/2017)