Schwangerschaft und Elternzeit in der Berufsausbildung

Kaum ein Ereignis verändert das Leben so nachhaltig, wie eine Schwangerschaft. Für junge Frauen, die noch in der Ausbildung sind, aber auch für die Ausbildungskanzlei stellen sich dann viele Fragen. Das Thema Elternzeit ist auch für junge Väter relevant, die von dieser Möglichkeit zunehmend Gebrauch machen. Die Bedeutung von Familienfreundlichkeit für die Zukunftsfähigkeit einer Kanzlei wird unter anderem von dem Handlungsleitfaden „Steuerberatung 2020“ der Bundessteuerberaterkammer hervorgehoben. Gelingt es der Ausbildungskanzlei bei diesem Thema über die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinaus mitarbeiterorientiert zu agieren, kann sie als attraktiver Arbeitgeber punkten, was nicht ohne Auswirkung auf die langfristige Mitarbeitergewinnung und -bindung bleiben wird. Tipps und Anregungen für eine familienfreundliche Ausgestaltung des Arbeitsplatzes können auf der Wissensplattform des Unternehmensprogramms „Erfolgsfaktor Familie“ abgerufen werden. Auch die Website des Familienministeriums stellt Infos, z.B. zum Thema Elternzeit und Elterngeld, zur Verfügung.

www.erfolgsfaktor-familie.de

www.bmfsfj.de

Nachfolgend werden lediglich die für das Berufsausbildungsverhältnis geltenden wichtigsten Regelungen skizziert:

Die gesetzliche Grundlage für die Behandlung von werdenden Müttern bildet das Mutterschutzgesetz. Es schützt alle schwangeren Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, also auch Auszubildende. Wird die Auszubildende schwanger, ist der Ausbilder unverzüglich - am besten schriftlich - darüber zu informieren. Die Ausbildungskanzlei muss dann das zuständige Regierungspräsidium, das die Einhaltung der mutterschutzrechtlichen Vorschriften überwacht, unverzüglich von der Mitteilung der Schwangerschaft benachrichtigen. Das Meldeformular ist hier abrufbar. Dritten darf die Ausbildungskanzlei die Schwangerschaft grundsätzlich nicht bekannt geben. Ausgenommen sind hiervon Kanzleiangehörige, die im Hinblick auf ihren Aufgabenkreis betroffen sind (Vorgesetzte, Personaler).


Aus der Mitteilung der Schwangerschaft ergeben sich Konsequenzen für den vom Arbeitgeber am Arbeitsplatz der Schwangeren zu gewährleistenden Gesundheitsschutz. Sie reichen von der Pflicht zur Anpassung der Arbeitsbedingungen an die Schwangerschaft über die Beachtung von Beschäftigungsverboten bis hin zur Einhaltung gesetzlich vorgesehener Schutzfristen. Arbeitsplatz und Arbeitsablauf müssen so gestaltet werden, dass Gefahren für Gesundheit und Leben der werdenden Mutter vermieden werden. Bei bestimmten Tätigkeiten gilt ein generelles Beschäftigungsverbot. Beispielsweise dürfen werdende Mütter nicht mit schwerer körperlicher Arbeit beschäftigt werden. Auch Mehrarbeit ist unzulässig. Dies gilt auch für stillende Mütter. Der Ausbildungsbetrieb muss die schwangere Auszubildende für Vorsorgeuntersuchungen im Rahmen der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Schwangerschaft und Mutterschaft freistellen. Dies gilt auch für die Wegezeiten zum Arzt. Die Vergütung muss im Freistellungszeitraum fortgezahlt werden.

In den letzten sechs Wochen vor der Entbindung ist eine Beschäftigung der schwangeren Auszubildenden unzulässig, es sei denn, dass sie ausdrücklich ihre Bereitschaft dazu erklärt. Die Auszubildende kann diese Erklärung jederzeit widerrufen (§ 3 Abs. 2 MuSchG). Maßgeblich zur Berechnung ist der im Zeugnis eines Arztes (Mutterpass) oder einer Hebamme angegebene voraussichtliche Tag der Entbindung, der bei der Fristberechnung nicht mitgerechnet wird. Nach der Entbindung ist die Beschäftigung acht Wochen, bei Früh- und Mehrlingsgeburten 12 Wochen unzulässig (§ 6 Abs. 1 MuSchG). Im Einzelfall kann die Beschäftigung einer Schwangeren schon vor dem Beginn der gesetzlichen Schutzfrist verboten sein, wenn nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter und Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet sind.


Während des Mutterschutzes erhält die Auszubildende Mutterschaftsgeld von ihrer Krankenkasse (aktuell 13 Euro pro Tag) und keine Ausbildungsvergütung. Erhält sie damit weniger als die eigentliche Ausbildungsvergütung, muss die Ausbildungskanzlei ihr den Differenzbetrag bezahlen. Ausbildungskanzleien mit weniger als 30 Vollzeitmitarbeitern (Auszubildende werden nicht mitgerechnet) wird dieser Differenzbetrag auf Antrag von der Krankenkasse der Auszubildenden erstattet (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 AAG, „U2-Verfahren“). Antragsformulare sind bei den Krankenkassen erhältlich.

An Prüfungen darf die Auszubildende auch während der Beschäftigungsverbotszeiten teilnehmen, da das Mutterschutzgesetz nur für das privatrechtliche Ausbildungsverhältnis, nicht aber für die öffentlich-rechtliche Prüfungsteilnahme gilt.

Während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ist eine Kündigung unzulässig, wenn der Ausbildungskanzlei zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder ihr innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird (§ 9 Abs. 1 MuSchG). Der Kündigungsschutz gilt auch schon in der Zeit zwischen Vertragsabschluss und Ausbildungsbeginn (LAG Düsseldorf 30.9.1992, NZA 1993, 1041).

Die vertraglich vereinbarte Ausbildungszeit verlängert sich nicht um die Zeiten der schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbote. Die Zeit des Mutterschutzes bleibt also unberücksichtigt. Es kann jedoch auf Antrag der Auszubildenden bei der Steuerberaterkammer das Ausbildungsverhältnis verlängert werden, wenn die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen (§ 8 Abs. 2 BBiG).


Auszubildende werden im Hinblick auf Elternzeit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gleichgestellt (§ 20 Absatz 1 BEEG) und haben Anspruch auf Elternzeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes (§ 15 BEEG). Wer Elternzeit beanspruchen will, muss diese rechtzeitig beantragen und sie spätestens sieben Wochen vor Beginn schriftlich vom Arbeitgeber verlangen und gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll (§ 16 BEEG). Die Elternzeit kann, auch anteilig, von jedem Elternteil allein oder von beiden Elternteilen gemeinsam genommen werden. Während der Elternzeit ruht das Ausbildungsverhältnis. Die vertragliche Ausbildungszeit verlängert sich demnach um die Zeit der in Anspruch genommenen Elternzeit (§ 20 Abs. 1 BEEG). Die Steuerberaterkammer Hessen als zuständige Stelle ist rechtzeitig vor Antritt der Elternzeit über die Änderung der Ausbildungszeit durch die Elternzeit schriftlich zu informieren.

Eine Fortsetzung der Ausbildung in Teilzeit ist selbstverständlich möglich.

Eine Berufsausbildung in Teilzeit ist nicht an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gebunden; sie kann im Ausbildungsvertrag und auch nach Ausbildungsbeginn durch Vertragsänderung vereinbart werden. Die Kürzung kann sich auf die tägliche oder auf die wöchentliche Ausbildungszeit beziehen, darf aber nicht mehr als 50 Prozent betragen. Die Dauer der Teilzeitberufsausbildung verlängert sich entsprechend, höchstens jedoch um 1,5 Jahre; dabei ist auf ganze Monate abzurunden. Eine bereits abgeleistete Ausbildungszeit in Vollzeit kann angerechnet werden.

Die Dauer der Abkürzung muss die persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen angemessen berücksichtigen. Die Berufsschule ist an eine im Ausbildungsvertrag vereinbarte Teilzeit nicht gebunden. Die Einbeziehung der Berufsschulzeiten in das Modell muss deshalb zwischen Betrieb, Auszubildenden und Berufsschule abgestimmt werden.

Einmal in der Woche erfolgt eine Freistellung für einen ganzen Berufsschultag, wenn dieser mehr als fünf Unterrichtsstunden von mindestens je 45 Minuten beinhaltet. An diesem Tag müssen Auszubildende nicht mehr in den Betrieb zurückkehren. Er gilt als kompletter Ausbildungstag, für den die durchschnittliche tägliche Ausbildungszeit angerechnet wird. Findet ein weiterer Berufsschultag in der gleichen Woche statt, erfolgt eine Freistellung für den Berufsschulunterricht unter Anrechnung der Berufsschulunterrichtszeit inkl. Pausen auf die Ausbildungszeit im Betrieb. Hier kann nach der Berufsschule eine Rückkehr in den Betrieb erforderlich werden.

Eine Teilzeitberufsausbildung steht der Möglichkeit der Verkürzung der Ausbildungszeit nach § 8 Abs.1 BBiG nicht entgegen. Der Antrag auf Eintragung des Berufsausbildungsvertrages in Teilzeit kann zusätzlich mit einem Antrag auf Verkürzung verbunden werden. Wird die Verkürzung während der Ausbildung beantragt, muss die Restausbildungszeit bis zum neu vereinbarten Ausbildungsende jedoch noch mindestens 12 Monate betragen. Durch die Inanspruchnahme der Teilzeitausbildung besteht zudem grundsätzlich die Möglichkeit der vorzeitigen Zulassung zur Abschlussprüfung nach § 45 Abs. 1 BBiG.

Mit den möglichen individuellen Teilzeitmodellen wird zum Ende der Ausbildungszeit nicht immer ein Prüfungstermin erreicht. Für die Auszubildenden besteht deshalb in einem letzten Schritt die Möglichkeit, die Verlängerung der Ausbildungsdauer bis zur nächsten möglichen Prüfung zu verlangen.

Den Antrag auf Vertragsänderung Teilzeitausbildung finden Sie hier.

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